Der Solibus e.V. ist ein Projekt von und für Aktivist*innen aus verschiedenen sozialen, antirassistischen, antifaschistischen, feministischen und weiteren politischen Netzwerken und Zusammenhängen. Solidarisch finanziert kann der Bus für politische Aktionen angefragt werden. Der Solibus mobilisiert damit im wahrsten Sinne des Wortes Aktivist*innen in ganz Deutschland und darüber hinaus.
Piets Update vom November 2023
Seit Juni 2022 haben wir einen zweiten Solibus, welcher auch schon an seine Grenzen kommt. Zum einen wegen der vielen Anfragen und zum anderen, weil wir zu wenig Aktivisten*innen mit einer Lizenz zum Fahren haben.
Angebote von Gruppen, dass sie Fahrer*innen kennen würden, lehnen wir ab, wenn wir sie nicht kennen. Für uns ist wichtig, dass die Person etwas mit unserem Selbstverständnis anfangen kann, wenn männlich gelesen, sich schon mal mit Feminismus/Gender und sich selbst auseinandergesetzt hat. Deswegen betonen wir auch immer, dass wir Aktivisten*innen mit einer Lizenz zum Fahren sind, also uns als Teil einer emanzipatorischen Bewegung begreifen (und nicht als Busfahrer*innen). Es gibt aber seit 2023 zwei Mitstreiter*innen mehr und eine weitere Person macht aktuell den Schein und ist ab dem nächstem Jahr mit am Start.
Seit Juni 2023 haben wir die Möglichkeit über ein befreundetes Busunternehmen eine Berliner Bus-Werkstatt zu nutzen. Bassliner ist uns gegenüber solidarisch und wir müssen für die Nutzung nichts bezahlen.
Im Gespräch mit Piet vom Solibus e.V.
(Interview vom August 2022)
Kannst du kurz erklären, was der Solibus genau ist?
Der Solibus e.V. ist ein sozialpolitisches Busprojekt. Es handelt sich nicht um ein konsumorientiertes Dienstleistungsunternehmen, sondern um einen gemeinnützigen Verein, der sich durch Spenden solidarisch finanziert. Uns ist es wichtig, dass Menschen, die den Bus anfragen, geben was sie wollen und können. Geld soll nicht die Bedingung sein. Gleichzeitig sind wir von Spenden abhängig, um die Kosten decken zu können. Laut unserem Selbstverständnis gehört der Bus nicht den Mitgliedern des Projektes. Vielmehr verstehen wir den Solibus als Bus einer emanzipatorischen Bewegung, der durch uns verwaltet wird. Durch dieses Selbstverständnis entsteht bei vielen Menschen ein Gefühl der Verantwortung gegenüber dem Bus und den damit verbundenen Kosten.
Darüber hinaus ist der Solibus viel mehr als nur ein Fortbewegungsmittel, das von A nach B fährt. In vielen Aktionen ist der Solibus als Austauschraum erfahrbar. Einige Aktionen wären ohne den Bus so nicht möglich gewesen.
Was hat dich dazu bewegt den Solibus mit zu initiieren?
Dazu muss ich ein bisschen in meine persönliche Geschichte springen. Ich bin seit rund 40 Jahren politisch aktiv. Als Busmechaniker habe ich von 1993 bis 2001 in einer Buswerkstatt gearbeitet. Dadurch hatten wir in dieser Zeit die Möglichkeit, Busse für politische Aktionen zu nutzen. 2001 ist dann der Busbetrieb meines Chefs pleite gegangen und wir haben auf einmal so richtig gespürt, was für ein Privileg es war, Zugang zu „eigenen“ Bussen zu haben. Die Busse meines Chefs waren immer eine flexible Option, um auch schnell auf kurzfristige Ereignisse reagieren zu können, oder einfach einen Bus voll zu machen und eine Aktion zu starten.
Irgendwann entstand dann der Gedanke: Okay, wir brauchen einen eigenen Bus! Vor allem am Anfang war die Umsetzung für uns eine große Herausforderung und mit bürokratischen Hürden verbunden. Um ein Busprojekt offiziell leiten zu dürfen, braucht es eine Konzessionsberechtigung, d.h. du musst bei der Industrie- und Handelskammer eine Prüfung ablegen. In der Prüfung werden Themen (Buchhaltung, Marketing, etc.) abgefragt, die mich so gar nicht interessieren! Anfangs stand noch die Idee im Raum, meinen Chef, der ja eine Konzessionsberechtigung hat, mit einzubinden. Später habe ich mich jedoch dagegen entschieden, weil ich die Verantwortung nicht auf meinen Ex-Chef abwälzen wollte.
2007 habe ich dann mit einer Freundin zusammen erstmals ein Konzept für den Solibus geschrieben. Danach haben wir uns bei den verschiedenen Kollektiven und Projekten in ganz Deutschland umgehört, ob es einen Bedarf an einem solidarisch organisierten Bus gibt und ob Menschen bereit wären, das Vorhaben zu unterstützen. Dass es einen Bus für Aktionen braucht, war mir klar. Auch fanden alle die Idee cool, aber keine*r wollte mitmachen. Das lag zu dem Zeitpunkt wohl auch daran, dass viele Leute Angst vor so einem großen Vorhaben hatten.
Einige Jahre später, 2017, wurde ich von einem Freund angesprochen und gefragt, ob ich Lust hätte, für ein Jugendprojekt einen Begegnungsbus auf solidarischer Basis zu fahren. Da kam bei mir wieder sofort der Gedanke, dass es juristisch funktionieren kann, einen Bus an einen Verein anzudocken. Daraufhin habe ich das alte Konzept herausgeholt und wieder angefangen, mich bundesweit mit meinen Leuten aus den sozialen Bewegungen über die Idee auszutauschen. Später habe ich mich hingesetzt und die Prüfung zum „Verkehrsleiter für Omnibusbetriebe“ gemacht, und war damit selbst konzessionsberechtigt.
Können auch „nicht-politische“ Gruppen den Solibus anfragen? Wie trefft ihr eine Auswahl,
wenn zeitgleich verschiedene Gruppen den Bus nutzen möchten?
Bei der Auswahl versuchen wir undogmatisch zu entscheiden. Wenn wir hinter dem Vorhaben stehen, dann stellen wir den Bus gerne zur Verfügung. Dann muss es auch nicht zwangsläufig eine politisch orientierte Gruppe sein. So haben wir beispielsweise schon eine Fahrt für eine Kita organisiert und wollen auch marginalisierten Gruppen, die weniger Zugang zu Ressourcen haben, die Möglichkeit geben, den Bus z.B. für eine Seminarfahrt zu nutzen. Bei anfragenden Projekten muss aber der Geist des Projektes oder die Menschen, die dort arbeiten, schon etwas mit unserem Selbstverständnis zu tun haben.
Klar muss es auch zeitlich passen. Darüber hinaus versuchen wir auch pragmatisch abzuwägen, ob es Sinn macht, z.B. von Berlin bis nach München zu fahren, um dort eine Gruppe ein paar Kilometer weiter zu einer Aktion zu fahren. Am Ende wollen wir vor allem darauf achten, dass wir nicht zu einem billigen Busdienstleistungsunternehmen werden.
Wenn Gruppen das Projekt nicht kennen, klären wir erst einmal auf, wer wir und was unsere Rahmenbedingungen sind, um ein Bewusstsein für unser Selbstverständnis zu schaffen.
Was braucht es aus deiner Sicht, um ein solches Projekt zu starten? Welche Erfahrungen
kannst du anderen Menschen mitgeben?
Es braucht Leute, die sich auf die Idee einlassen wollen. Das war auch bei uns 2007 das größte Problem und der Grund, warum es damals nicht zustande kam. Aktuell verwalten wir einen Bus. Bei einem zweiten Bus bräuchte es entsprechend mehr Menschen, die das Projekt aktiv unterstützen. Auf Demos und Aktionen habe ich vor allem in der Anfangszeit des Projekts, als es den Solibus noch nicht gab, immer wieder gezielt Flyer an Menschen in politischen Kontexten verteilt, bei denen ich Interesse für unser Vorhaben vermutet habe. Es braucht nicht nur Busfahrer*innen, sondern auch Menschen, die anderweitig unterstützen, z.B. indem sie Workshops oder ähnliches anbieten.
Speziell für ein Busprojekt ist es eben essenziell, dass eine Person eine Konzessionsberechtigung hat. Dadurch ist es erlaubt, bis zu 50 Busse zu verwalten. In Gesprächen bei Treffen, auf Demos, Camps o.ä. versuchen wir als Solibus immer wieder Mitstreiter*innen für das Projekt zu gewinnen, die z.B. gerade beim Jobcenter angedockt sind und Lust haben, einen Busschein zu machen. Durch den großen Bedarf an Busfahrer*innen in Deutschland wird der Schein, der mit 6.000-10.000€ Kosten verbunden ist, durch das Jobcenter finanziert. So könnten Menschen von meiner Konzessionsberechtigung direkt profitieren.
Geld ist für uns, vor allem am Anfang, ein großes Thema gewesen. Ein Bus in dieser Größenordnung ist schon allein in der Anschaffung sehr teuer. Durch größere Direktkredite und Spenden konnten wir aber glücklicherweise einen gebrauchten Linienbus kaufen. In diesem Zusammenhang ist eine weitere wichtige Ressource, Erfahrung mit Bussen zu haben. Da kam mir mein früherer Job in der Buswerkstatt sehr zugute und spart uns heute noch viel Geld, denn eine Reparatur in einer offiziellen Werkstatt würde die finanzielle Grundlage des Vereins „auffressen“.
Von den Erfahrungen und Fehlern, die ich in der Vergangenheit und die wir in den letzten zweieinhalb Jahren innerhalb des Solibus-Projekts gemacht haben, könnten Menschen auch indirekt profitieren. Wir bieten auch immer wieder an, in die Städte zu kommen, um uns zusammenzusetzen und gemeinsam Ideen und die Umsetzung zu erarbeiten.
Welche Wünsche hast du für die Zukunft von Solibus e.V.?
Ein zweiter Bus wäre schön. Tatsächlich sind wir auch gerade innerhalb der Kerngruppe am diskutieren, wie wir das umsetzen können. Die Schwierigkeit ist es hier, Fahrer*innen zu finden. Wir haben in diesem Zusammenhang schon die Bedingung an potenzielle Busfahrer*innen, dass sie unser Selbstverständnis und unsere politische Ausrichtung teilen. Darüber hinaus bräuchten wir noch einen Platz, im besten Fall in Berlin, um am Bus schrauben zu können. Langfristig habe ich den Traum, dass an diesem Ort auch Schrauber*innen-Workshops angeboten werden können und die Werkstatt ein Anlaufpunkt für Menschen sein kann. Ich habe sehr positive Erinnerungen an die Zeiten, als wir die Ressource „Werkstatt“ noch hatten. In dieser Zeit war die Werkstatt eben auch ein Ausprobierraum, ein Raum für politische Diskussionen, an dem Konkurrenz und Männlichkeitsideale hinterfragt werden konnten. Für den zweiten Bus wäre ein Ort, an dem wir gern gesehen sind, essenziell.