Weil wir gern Rad fahren und uns mit den schlechten Bedingungen in Bochum nicht mehr abfinden wollen, haben wir die Initiative: Radwende Bochum gegründet. Wir setzen uns für eine fahrradfreundliche Stadt ein und verlangen ein Mobilitätsgesetz, das verbindliche Zielvorgaben zum Ausbau der Radinfrastruktur beinhaltet.
Wir haben uns als eine von 45 Lokalgruppen der Aktion RadEntscheid angeschlossen und zusätzlich zu den Forderungen der bundesweiten Kampagne einen eigenen Forderungskatalog für Bochum entwickelt.
Wie ist die soziale Zusammensetzung und die Mitgliederentwicklung in eurer Gruppe?
Wir sind ein bunter Haufen an Menschen verschiedenen Alters und Geschlechts. Bei uns sind alle Menschen willkommen, die Lust haben, sich für die Verkehrswende in Bochum zu engagieren. Es sind etwa 40-50 Menschen im Radwende Bündnis aktiv. Gerade im letzten Jahr hatten wir mit dem Start des »RadEntscheid« einen großen Zulauf, gerade auch von jüngeren Menschen. Viele von uns engagieren sich seit Jahren in verschiedenen Gruppen in der Stadt, z.B. für Themen wie Umweltschutz, bürgernahe Stadtentwicklung oder auch Bürger*innenbeteiligung.
Warum habt ihr eine Initiative gegründet und nicht die Arbeit in einer politischen Partei versucht?
Bochum hat in den letzten Jahrzehnten kein stadtweites Konzept für den Ausbau von Radwegen entwickelt. Hier und da werden zwar einige Hundert Meter Radweg gebaut, oft fangen diese aber im Nichts an und enden abrupt. Dies liegt nicht an den finanziellen Mitteln der Stadt, sondern eher am fehlenden politischen Willen. Trotz einer rot-grünen Mehrheit im Stadtrat wurde die Erstellung eines Radverkehrskonzeptes jahrelang verschleppt. Es gibt in den politischen Gremien bei Neuplanungen immer wieder Diskussionen, wenn für einen Radweg Parkplätze weichen müssen. An die scheinbar heilige Mehrspurigkeit des motorisierten Individualverkehrs traut sich bisher keine Partei heran.
Wir wollten daher in einem überparteilichen Bündnis arbeiten und uns nicht von Parteien instrumentalisieren lassen.
Welche Aktionsformen habt ihr bisher versucht und plant ihr?
Wir haben Fahrrad-Demos organisiert, uns an den Klimastreiks beteiligt und Mängeltouren für interessierte Bürger*innen angeboten. Auch im Netz sind wir aktiv: Wir haben 2019 einen Mängel-Adventskalender mit eingereichten Bildern von Bochumer*innen veröffentlicht und eine Online-Podiumsdiskussion mit Bochumer Politiker*innen veranstaltet. Außerdem haben wir einen Mängelmelder angelegt, auf dem wir eingereichte Mängel auf einer Stadtkarte sichtbar machen. Unsere neusten Errungenschaften sind ein eigener Podcast sowie natürlich die Initiierung des mittlerweile autonomen Projekts »RadEnscheid Bochum«.
Habt ihr Ansprechpartner bei der Stadtverwaltung oder den Parteien?
Ja, wir führen regelmäßig Gespräche mit dem Tiefbauamt sowie Politiker*innen aus den Parteien (außer der AFD!). Umgesetzt wird dies durch unsere AG Politikgespräche. Auch mit dem Oberbürgermeister haben wir uns schon ausgetauscht.
Wie ist die Reaktion der Leute in Bochum, der Medien usw?
Viele Bochumer*innen unterstützen unsere Forderungen und beteiligen sich beispielsweise mit Freude an unseren Demos und Aktionen, wo bis zu 700 Leute teilgenommen haben. Zuletzt konnten wir viele Mitstreiter*innen für das Projekt »RadEntscheid« gewinnen, bei welchem sich etwa 50 Menschen aktiv engagieren. In den sozialen Medien (Instagram, Twitter, Facebook) haben wir je nach Plattform rund 700-1.000 Follower*innen. Bei einfachen Umfragen auf Instagram beteiligen sich regelmäßig bis zu 150 Leute. Zudem haben wir immer mal wieder Gastbeiträge beim Radio Bochum und im lokalen Fernsehen.
Hat die Corona-Pandemie Auswirkungen auf den Schwerpunkt Radverkehr?
In den letzten Monaten beobachten wir an den städtischen Fahrrad-Messstellen gegenüber den Vorjahren täglich neue Rekordwerte. Viele Menschen haben sich ein neues Fahrrad gekauft und benutzen dieses im Alltag. Das zeigte sich auch an ausverkauften Bochumer Fahrradgeschäften. Zeitweise war es nicht einmal möglich, Fahrradöl zu bekommen. In Folge des erhöhten Radverkehrs kam es vermehrt zu Unfällen und Konflikten mit anderen Verkehrsteilnehmer*innen. Der Vorschlag der Radwende, PopUp-Radwege in der Stadt anzulegen, wurde nach einer Prüfung durch die Verwaltung abgelehnt.
Konzentriert ihr euch bewusst auf ein Thema oder vertretet ihr übergeordnete Ziele?
Im Hauptfokus steht für uns die Verbesserung der Bochumer Fahrradinfrastruktur und die dafür erforderlichen Maßnahmen. Für uns ist das ein Teil einer sozialökologischen Verkehrswende. Wir sprechen uns aus für eine deutliche Stärkung des Umweltverbundes (ÖPNV, Fuß- und Radverkehr). Die Verkehrswende ist zwingend nötig, damit sich die Klimakrise nicht noch weiter zuspitzt – denn auch Bochum hat im Juni 2019 den Klimanotstand ausgerufen, seitdem sind jedoch keinerlei relevante Veränderungen in Kraft getreten.