KoLaRa ist ein loses Leipziger Kollektiv aus Menschen, die sich für eine nachhaltige Mobilität und einen zukunftsfähigen Stadtverkehr einsetzen, der möglichst aus zwei Rädern und Muskelkraft besteht. Lastenräder für Alle!
Umgesetzt wird dies, mittels eines dezentralen Verteilersystems. Jedes Lastenfahrrad bekommt ein bis zwei zugehörige Pat*innen, welche als Ansprechpartner*innen fungieren.
Ein Interview mit Eric von KoLaRa
Was genau ist KoLaRa?
KoLaRa steht für KollektivLastenRad. Es handelt sich um ein formloses Netzwerk von Menschen, die sich auf unterschiedlichen Ebenen mit Lastenrädern beschäftigen. Unsere Haupttätigkeit liegt darin, Lastenräder für alle Menschen verfügbar zu machen, indem wir diese auf Spendenbasis verleihen. Darüber hinaus bauen wir in der Regel unsere Lastenräder selbst, kümmern uns darum, dass die Räder in einem gepflegten Zustand sind und reparieren sie bei Bedarf.
Im Allgemeinen setzen wir uns für eine starke Transportradkultur in Leipzig ein. Letztes Jahr haben wir zum Beispiel zwei Lastenradrennen veranstaltet. Wir unterstützen aber auch Netzwerke aus Umwelt-, Nachhaltigkeits- und Verkehrskontexten bei Veranstaltungen und Aktionstagen.
Wie kann ich mir ein Lastenrad leihen?
Unser wichtigstes Instrument, um die Räder zu verleihen, ist die Website (kolara.org). Hier gibt es ein Register von allen Lastenrädern und Anhängern, die zur Verfügung stehen. Der interaktive Stadtplan, also eine Karte, auf der alle Lastenräder eingezeichnet sind, ermöglicht es, ein Rad in der Nähe zu finden. Die Lastenräder sind dezentral über die ganze Stadt verteilt und können bei den Pat*innen, die in den meisten Fällen die Eigentümer*innen sind, abgeholt werden.
Jedem Rad wird eine eigene E-Mail zugeordnet, die einen direkten Kontakt mit den jeweiligen Pat*innen ermöglicht. Vor der Leihe schreibt ihr also eine E-Mail an den*die Pat*in des gewünschten Rades und vereinbart die Details. Die spezifischen Bedingungen für die Leihe (z.B. Pfand) können alle Pat*innen für sich selbst entscheiden. Unser Grundsatz ist es aber, dass unser Projekt antikapitalistisch ist und die Räder bzw. Anhänger so niedrigschwellig wie möglich für alle Menschen verfügbar sein sollen. Dadurch, dass es keine Gebühr gibt und alles über Spenden finanziert wird, haben wir das Potenzial, viele Menschen zu erreichen.
Was hat dich dazu bewegt, bei KoLaRa aktiv zu werden?
Ich habe mich schon seit längerer Zeit mit dem Fahrradfahren und dem Radverkehr im politischen Diskurs beschäftigt. Auf ganz vielen Ebenen sehe ich Autos und den gegenwärtigen Verkehr sehr kritisch. In der Autostadt Stuttgart, in der ich noch vor sechs bis sieben Jahren gewohnt habe, habe ich mich dann in diesem Bereich politisiert. Zu dieser Zeit gab es kaum Lastenräder in Stuttgart. Diejenigen, die eins hatten, kannten sich untereinander und wurden damit meistens schräg angeschaut.
Während dieser Zeit habe ich an der Uni an einem Forschungsprojekt zu nachhaltiger Mobilitätskultur mitgearbeitet. Hier habe ich mich mit Themen der gesellschaftlichen Transformation beschäftigt. Es wird häufig von technischen Innovationen gesprochen und wie diese den Stadtverkehr beeinflussen. Wir haben dagegen versucht, die kulturelle Komponente von Mobilität und Verkehr zu beleuchten und soziale Innovationen in den Vordergrund zu rücken. Die Initiative „Freies Lastenrad Stuttgart“ haben wir in diesem Zuge als Modellexperiment beforscht. Danach war ich von dem Thema Lastenrad so fasziniert, dass ich mich bei der Initiative eingeklinkt habe.
Vor ein paar Jahren bin ich dann wieder zurück nach Leipzig gezogen und hatte Lust, weiter in diesem Feld aktiv zu bleiben. So bin ich auf KoLaRa gestoßen und habe sofort mit dem Bau der Rakete (so heißt mein Lastenrad) angefangen. Zu dieser Zeit war KoLaRa in Leipzig noch relativ unbekannt. Die Ausleihquoten waren im Vergleich zu Stuttgart wesentlich niedriger.
Ich denke, es gab und gibt einen großen Bedarf an Lastenrädern. Immer mehr Menschen sind mit eigenen Lastenrädern unterwegs. Trotzdem blieb die Frage: Wie kann es sein, dass in einer so jungen Stadt wie Leipzig so wenige Menschen Lastenräder bei uns leihen? Dann haben wir angefangen, Flyer zu drucken und versucht, das Projekt mehr in die Öffentlichkeit zu rücken. Das war vor rund zwei Jahren. Ich kann das zwar nicht quantifizieren, aber ich habe das Gefühl, dass wir seitdem besser wahrgenommen und häufiger angefragt werden. Zum einen fragen uns jetzt häufiger Menschen, ob wir beim Bau eines Lastenrades unterstützen können. Andererseits leihen regelmäßig Initiativen Lastenräder für ihre Aktionen aus. Das Angebot an Lastenrädern wird stetig größer. Es könnten aber gerne noch mehr Leute Räder ausleihen!
Welche Ressourcen braucht es, um ein Lastenrad zu bauen?
Für die Ideenfindung gibt es etliche kostenlose Baupläne mit Bildern im Internet. Wir unterstützen aber auch Menschen bei der Planung und beim Bau. Für den Bau eines Lastenrades ist eine Werkstatt von Vorteil. Wir sind mit den freien Fahrrad-Selbsthilfewerkstätten in Leipzig gut vernetzt. Dort gibt es in der Regel ein Schweißgerät, das für den Bau eines Lastenrades aus Stahl essenziell ist. Es gibt aber noch weitere Möglichkeiten ein Lastenrad (auch ohne Schweißgerät, z.B. aus Bambus) zu bauen. Teile gibt es entweder in Selbsthilfewerkstätten oder auf dem Schrottplatz. Für einige Dinge, wie dem Lack, ist ein Baumarkt eine gute Anlaufstelle.
Welche Rolle übernimmt KoLaRa aus deiner Perspektive in der sozial-ökologischen Transformation? Was wird dadurch im positiven Sinne „anders“?
KoLaRa ermöglicht Menschen fast uneingeschränkt Zugang zu post-fossiler, muskelbetriebener Mobilität, zum Transport von großen Gegenständen, Haustieren, Familienmitgliedern, Gartenmaterial und ganz vielen anderen Dingen. Wir machen Menschen damit unabhängig vom Auto und von anderen fremdgesteuerten Transportmitteln. Letztendlich fördern wir die Transformation des Stadtverkehrs: mehr Fläche durch weniger Autos, weniger Abgase, mehr Gesundheit durch Bewegung, mehr Lebensqualität!
Der Grundgedanke des Teilens, der bei KoLaRa zentral ist, schafft Bewusstsein gegenüber den Gütern, die wir tagtäglich nutzen. Ich kann etwas gemeinsam mit anderen Menschen benutzen, ohne Eigentümer*in zu sein. Durch das Pat*innen-Konzept entsteht eine beziehungsstiftende, soziale Komponente. Ich komme in Kontakt mit den Menschen, die das Lastenrad ausleihen möchten. Ich persönlich finde es spannend zu erfahren, was die Leute mit den Rädern vorhaben oder wie sie zu KoLaRa gekommen sind. Umgekehrt habe ich das Gefühl, dass die Leute an dem Rad oder dem Projekt interessiert sind. Öfter kommen Menschen durch uns das erste Mal in Kontakt mit dem Lastenradfahren und haben nach anfänglichen Hemmungen einen Riesenspaß.
Wie sieht deine Vision für den Stadtverkehr in Leipzig in 10-20 Jahren aus?
Ich stelle mir eine Stadt vor, in der es viel weniger Autos, weniger Lärm, Stress, Dreck, weniger Unfallverletzte und -tote gibt. In der Menschen Waren und Güter mit Fahrrädern transportieren und in der es ein flächendeckendes Lastenrad-Sharing gibt.
Ich fände es schön, wenn das Teilen von Nutzgütern sich auch in anderen Bereichen mehr etabliert. So könnten zum Beispiel Lastenräder in SoLaWis eine größere Rolle spielen. Außerdem sollte ein Lastenrad zur Grundausstattung jeder Hausgemeinschaft gehören und allen Bewohner*innen zur Verfügung stehen.
Auch denke und hoffe ich, dass in 10-20 Jahren mehr Verbindungen zwischen transformativen Initiativen bestehen.
Vielen Dank für das Interview und Euer Engagement!