WiRschaft Usinger Land

WiRschaft Usinger Land

Die WiRschaft Usinger Land ist eine Gruppe von Leuten im Umkreis von Usingen in Hessen, die in der Corona-Krise zusammengefunden haben, um sich gegenseitig zu unterstützen. (Derzeit) 51 Erwachsene erbringen einen Teil ihrer Grundversorgung gemeinsam und auf Augenhöhe: Essen, Kleidung, Körperpflege und Bildung. Alle machen irgendwas und jeder bekommt etwas. Man tauscht nichts direkt aus.

Kurzinfo

  • info (at) wirschaft.net
  • zurzeit 51 Mitglieder
  • versteht sich als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)

‚Beteilen‘

nennen sie ihre zentrale Sozialtechnik in der WiRschaft. Dabei bauen mehrere Menschen durch ihre Tätigkeiten bzw. Eröffnungsgaben einen Vorrat auf, den sie später untereinander aufteilen. Es gibt dabei keine direkten Gegenseitigkeiten. Eröffnungsgaben gehen immer in den Vorrat und Gegengaben kommen alleinig aus dem Vorrat. Dabei gibt es in ihrem Konzept verschiedene Möglichkeiten, wie das Beteilen umgesetzt werden kann. Sie selbst haben sich für eine Form nach individuellem Ermessen entschieden – und gehen da gerade testweise noch einen Schritt weiter: Bislang war es so: Der subjektiv empfundene Zeitaufwand für die Beteiligung konnte quartalsweise in eine Online-Tabelle eingetragen werden. Die Verteilung der Portionen der produzierten Gütermenge erfolgte dann über Entnahmeanrechte, die zu 50 Prozent proportional zum individuellen Beteilstundenanteil ausgegeben wurden, zu 40 Prozent gleichmäßig an alle und zu 10 Prozent frei an alle, die einen zusätzlichen Bedarf haben. Aktuell jedoch kann die Entnahme aller Beteilgüter frei, nach eigenem Bedarf erfolgen.

Warum es zu dieser testweisen Veränderungen gekommen ist? Weil viele Entnahmeanrechte nicht genutzt wurden, einige Teilnehmende sich mit der Erhebung und Rückmeldung ihres Zeitaufwandes nicht wohl gefühlt haben, manche die quantitative Kopplung der Verteilung an die Beteiligung als zu „kaufähnlich“ empfanden, neue Erfahrungen im sozialen Experimentierraum WiRschaft gewünscht waren und die Verwaltung der Gruppe dadurch vereinfacht wird.

Drei Menschen von WiRschaft bearbeiten ein Stück Land, im Hintergrund sind Einfamilienhäuser zu sehen.
Quelle: WiRschaft

Die Aktivitäten der WiRschaft reichen vom Anbau und der Verarbeitung von Lebensmitteln, der Unterstützung bei persönlichen Anliegen, wie der Reparatur von persönlichen Gegenständen und Kleidung oder handwerkliche Unterstützung bei Arbeiten in der persönlichen Wohnung, über soziale Begegnungs- und Austauschformate, wie WiR-Cafés, WiR-Feste, WiR-Lesekreis und WiR-Redekreis bis zu körperlich-sinnlichen Aktivitäten, wie Yoga, Naturcoaching und Tanzen.

Was hat Euch dazu bewegt, das Projekt anzustoßen?

Wir haben das Projekt gestartet, weil wir die derzeit dominante Lebens- und Wirtschaftsweise, die auf der Ausbeutung von Mensch und Natur basiert, nicht für zukunftsfähig halten.
Unsere Vision ist, dass bis zu 120 Erwachsene mit ihren Kindern in nachbarschaftlicher Gemeinschaft soziale Einbettung und wirtschaftliche Geborgenheit erfahren.

Was hat sich dadurch für Euch verändert?

Wir haben gelernt, wie schwer es uns fällt, gemeinschaftlich aktiv zu sein. Viele können sich nur sehr wenig bis gar nicht in die WiRschaft einbringen, da sie im dominanten Gesellschaftssystem stark eingebunden und beschäftigt sind. Uns ist aber auch deutlich geworden, wie viele Möglichkeiten es gibt, unser Zusammenleben zu verändern.

Neben dem Text "Beteiligen & Teilen" eine kuchenförmige Symbolik mit je einem Drittel Werkzeugen, Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen. Darunter steht "Entdecke Deine Dorfgemeinschaft 2.0!"
Welche Ressourcen & Faktoren waren bei der Gründung wichtig?

Wir haben das Projekt mit einer Website gestartet. Hilfreich war auch, dass wir selbst einen Artikel, der auf der Titelseite veröffentlicht wurde, in einer Werbezeitung schreiben konnten, die an viele Haushalte kostenlos verteilt wurde. Eine wichtige Ressource war auch ein Kellerraum, in dem wir unser Beteilzentrum einrichten konnten. Dieser Kellerraum wurde uns von einem Unternehmer kostenlos zur Verfügung gestellt.

Wo seht Ihr Euch auf den drei NOW NET-Wegen?

Mit der WiRschaft sind wir hauptsächlich auf dem Weg „Commons aufbauen“. Durch die in der WiRschaft praktizierte Entscheidungsmethode „Konsent“ bewegen wir uns auch auf dem Weg „Demokratie ausbauen“.

Wo werdet Ihr Euren Ansprüchen nicht gerecht?

Die meisten Mitmachenden geben weniger Zeit in die WiRschaft, als sie es gerne möchten. Daher ist der Beitrag der WiRschaft zur Grundversorgung nur sehr gering – und entsprechend auch der Effekt, den Markt abzubauen. Auch bei der Akzeptanz von Unterschiedlichkeiten und der Wahrnehmung von Multiperspektivität als Bereicherung für alle ist das Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Immer wieder kommen einzelne oder mehrere Mitmachende in (alte) Verhaltensmuster, die wir überwinden möchten.

Zukunftsmalerei: Wie könnte der Lebensbereich, in dem Ihr Euch engagiert, in zehn bis zwanzig Jahren bestenfalls aussehen?

Immer mehr Menschen organisieren sich in solidarischen, nachbarschaftlichen Grundversorgungsgruppen. Sie wenden beziehungswahrende soziale Praktiken auf vielfältige Arten und Weisen an. Den meisten Menschen in diesen Gruppen sind (wirtschaftliche) Existenzängste fremd. Durch die wirtschaftliche Sicherheit und die soziale Einbettung verschenken sich viele Menschen mit ihren eigenen Begabungen und Talenten auch außerhalb ihrer lokalen Gemeinschaft. Dadurch wird ein gesellschaftlicher Wandel in Richtung Verbundenheit immer sichtbarer und von immer mehr Menschen als attraktiv empfunden.

Hier kommst Du zum Commons Zentrum Lüneburg

Hier kommst Du zu den Leihläden von allerleih e.V.