Das Mietshäuser Syndikat ist ein fester Verbund autonomer, selbstorganisierter Hausprojekte und solcher, die es noch werden wollen. Gemeinsam schaffen sie eine solidarische und gemeinwohlorientierte Wohnform, indem sie sich gegen die Verwertungslogik des Immobilienmarktes stellen. Mit dem Konzept des Mietshäuser Syndikats werden die Häuser entprivatisiert und in Gemeineigentum umgewandelt, wodurch langfristig bezahlbarer Wohn- und Gewerberaum geschaffen wird.
Interview mit Jochen vom Mietshäuser Syndikat
Was macht das Mietshäuser Syndikat? Was ist Eure Vision und Euer Ziel?
Wir beraten Gruppen, die sich nach unserem Konzept organisieren und ein Haus vom Markt nehmen wollen. Eigentlich kann man im Kapitalismus nicht Sachen vom Markt nehmen, aber wir probieren das trotzdem.
Die Rechtsform (GmbH), die Teil des Konzepts ist, verbindet die einzelnen Hausprojekte mit der Dachorganisation und dient der Sicherstellung der langfristigen Orientierung der Projekte am Gemeinwohl. So entsteht bezahlbarer Wohn- und Gewerberaum und es wird beispielsweise sichergestellt, dass die Immobilien nicht weiterverkauft werden können.
Wie viele Menschen sind am Mietshäuser Syndikat beteiligt?
In Deutschland gibt es 181 Projekte, dort leben ca. 6000 Menschen. Der Dachverband hat 1300 Mitglieder, darunter die 181 Projekte, aber auch Einzelpersonen können Mitglieder werden.
Warum habt ihr das Projekt angestoßen?
Am Anfang gab es viele Treffen und Ideen. Eine dieser Ideen war, den Geldkreislauf, den es in einem Mietshaus gibt, anders zu organisieren und durch die Mieten den Kauf des Hauses zu ermöglichen und so langfristig günstige Mieten zu ermöglichen. Die Mieten von bereits abbezahlten Häusern können dann, neben den Instandhaltungskosten, sogar den Kauf von weiteren Häusern finanzieren.
In welchen Regionen seid Ihr im Moment aktiv? Wo wärt Ihr gerne noch aktiv? Gibt es ähnliche Initiativen in anderen Teilen der Welt?
Das Mietshäuser Syndikat ist als dezentrales Netzwerk organisiert und hauptsächlich in Deutschland aktiv. Es gibt ein kleines Büro in Freiburg, aber vor allem beraten in den einzelnen Regionen die jeweiligen Regionalgruppen. Sehr aktive Gruppen gibt es momentan in Berlin, Dresden, Leipzig und Freiburg, aber es gibt eigentlich überall Gruppen.
Im Ausland gibt es eigene Gruppen, die ähnliche Konzepte nutzen, z.B. in den Niederlanden und Österreich und neuerdings auch in Tschechien. Sie sind unabhängig vom Mietshäuser Syndikat, aber wir sind untereinander vernetzt. Dafür gibt es bei uns auch eine internationale Arbeitsgruppe.
Gibt es Unterschiede zwischen Projekten im ländlichen und im städtischen Raum?
Ja, im ländlichen Raum ist es manchmal schwieriger, wenn in einem Projekt etwas frei wird, nachfolgende Menschen zu finden. Und Wechsel gibt es in den Projekten immer. Aber ländliche Projekte haben auch ihre Vorteile, z.B. sind die Mieten günstiger, es gibt mehr Platz und manche Projekte arbeiten auch auch landwirtschaftlich. Dafür gibt es jetzt auch das Ackersyndikat.
Wer wohnt in den Projekten?
In den Projekten wohnen ganz unterschiedliche Menschen. Es gibt Menschen im Alter von Null bis 80 Jahren, und auch in Bezug auf Einkommen und Berufsgruppen ist es sehr durchmischt. Eine Gemeinsamkeit ist, dass die meisten Menschen, die in den Häusern wohnen, politisch interessiert und im politischen Spektrum eher links einzuordnen sind.
Wie kommen neue Menschen und Gruppen dazu?
Interessierte erfahren häufig durch Hörensagen, Mundpropaganda und online vom Mietshäuser Syndikat. Im Moment haben wir tatsächlich sehr viele Anfragen, sodass es leider nicht immer möglich ist allen zeitnah zu antworten.
Welche Ressourcen und Faktoren waren zu Beginn des Projekts wichtig? Und welche Stolpersteine gab es?
Ein bedeutender Faktor zu Beginn der Projekte ist, dass sich eine Gruppe findet, die gut zusammenarbeitet und ein gemeinsames Konzept verfolgt. Oft ist der Prozess langwierig und es ist notwendig, dass in der Gruppe auch mit Konflikten gut umgegangen wird. Die Finanzierung ist auch ein wichtiger Faktor. Mit dem Konzept des Mietshäuser Syndikats können nicht alle Häuser gekauft werden. Es ist notwendig die Grundstücke oder Häuser relativ günstig zu bekommen, wobei häufig auch die Kommunen eine Rolle spielen. Manchmal, wenn ein Eigentümer zu viel Geld haben möchte, ist es einfach nicht möglich, ein Projekt umzusetzen. Das kann frustrierend sein.
Wo werdet Ihr Euren Ansprüchen nicht gerecht?
Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Die vielen unterschiedlichen Menschen, die Teil des Mietshäuser Syndikats sind, haben unterschiedliche Ansprüche. Jede Gruppe formuliert neue Ansprüche, die sind z.B. bei manchen sehr politisch und bei anderen stärker sozial motiviert.
Aber was sicher ist, dass wir nicht das ausgleichen können, was der Staat wohnungspolitisch falsch macht. Das ist aber auch nicht unser Anspruch.
Wo seht Ihr Euch auf den drei NOW-Wegen?
Wir sind in allen drei Bereichen aktiv. Da wir Häuser vom Markt nehmen, wird der Markt zurückgedrängt. Außerdem nutzen wir im Syndikat und auch in den meisten Projekten das Konsensprinzip, was manchmal anstrengend, aber auch sehr demokratisch ist. Wir geben Demokratisierung also nicht vor, sondern tun es einfach und leben so. Bezüglich des Ausbaus der Commons entstehen durch die Projekte Räume, die der Gesellschaft zugänglich sind und nicht Privatbesitz von Einzelnen.
Wie können Interessierte das Mietshäuser Syndikat unterstützen und/oder mitmachen?
Wenn eine Person am Mietshäuser Syndikat interessiert ist, kann sie schauen, ob es in der Nähe eine Regionalgruppe gibt. Regionalgruppen treffen sich üblicherweise regelmäßig, deswegen macht es am meisten Sinn, dort Kontakt aufzunehmen und an einem Treffen teilzunehmen.
Es ist auch möglich, Mitglied des Dachverbands zu werden und dann zu Mitgliedsversammlungen zu kommen.
Und es gibt natürlich die Option, selbst ein Hausprojekt zu gründen. Das ist aber ein großes Projekt. Manchmal ist es auch möglich, sich einem bestehenden Projekt anzuschließen, das noch nach Mitgliedern sucht, das passiert dann z.B. auf den Mitgliederversammlungen.
Zukunftsmalerei: Wie könnte die Verwaltung von Wohnraum in 10 bis 20 Jahren idealerweise aussehen?
Wir würden uns freuen, wenn sich überall neue Syndikate bilden, die ähnlichen Projekte vorantreiben und so die Idee immer weiterverbreiten. Im Grunde so, wie es jetzt schon passiert. Wir wollen als Mietshäuser Syndikat nicht immer weiterwachsen, denn Wachstum bringt auch neue Probleme mit sich. Außerdem hoffen wir, dass mehr Einsicht bei Städten, Ländern und dem Bund entsteht, dass es aktuell ein Problem gibt. Es muss klar sein, dass es nicht reicht, 400.000 neue Wohnungen zu bauen, sondern dass es andere Wege gibt mit Grund und Boden umzugehen.
Platz für mehr: Gibt es noch etwas zu ergänzen?
In unseren Hausprojekten passiert deutlich mehr als nur Wohnen. Es gibt meistens viel Platz für politische und soziale Gruppen oder auch für Kleingewerbe.
Hier geht’s zu einer ähnlichen Initiative: Der Wohnungsgenossenschaft Selbsthilfe Linden