Die Commons-Sommerschule ist ein Ort, an dem Menschen für eine Woche in das Thema Commoning eintauchen können. Dabei nutzen wir Kopf, Herz und Hand. Wir arbeiten analytisch – mit Konzepten und Begriffen und setzen Commoning aber auch in die Praxis um. Unsere Körper dienen als Instrumente des Erfahrens und Erkennens.
Was ist Commons oder Commoning? Hier erfährst du mehr.
Im Gespräch mit Sigrun Preissing von der Commons-Sommerschule:
Kannst du erklären, was die Commons-Sommerschule genau ist?
Die Commons-Sommerschule gibt es seit 2012. Silke Helfrich hat damals damit begonnen, weil sie einen Ort schaffen wollte, an dem Menschen co-kreativ Commoning im gemeinsamen Prozess erfahren, es denkerisch, körperlich und emotional verinnerlichen können. Silke hat über die Jahre sieben Sommerschulen begleitet. Mit den immer neuen Erfahrungen und wechselnden Wegbegleiter*innen haben sich die Sommerschulen immer weiter verändert.
Ich selbst war 2021 als Teilnehmerin bei der siebten Sommerschule dabei. Das war für uns Teilnehmenden eine wunderbare, intensive und ermutigende Woche. Sie hatte für unsere konkreten Projekte, unsere persönliche Entwicklung, gesellschaftliche Themen und unsere Mitwelt eine große Relevanz. Als Silke 2021 tödlich verunglückte, war klar, dass wir die Commons-Sommerschule weiter hüten wollen. Um Sarah Ackerbauer herum, die schon einige Sommerschulen mit begleitet hat, haben wir ein Team von drei Personen gebildet. Es geht uns darum, dass Menschen an das Thema andocken können, sich mit anderen Arten und Weisen zu wirtschaften und zu leben auseinandersetzen und damit Erfahrungen machen können.
Wie arbeitet ihr auf der Sommerschule?
Wir arbeiten mit Kopf, Herz und Körper und versuchen diese drei Herangehensweisen zu einem vielschichtigen Bild zu verweben.
Begrifflich unterscheiden wir mindestens drei Dimensionen der Commons: die soziale, im Umgang miteinander, die politisch-institutionelle, um komplexe Formen von Selbstorganisation zu gestalten, und die ökonomische, um sich der Verwertungslogik zu entziehen und davon frei(er)e Formen des Produzierens, Pflegens und Nutzens zu schaffen. Wir wollen diese Dimensionen ergründen und auf aktuelle gesellschaftliche Debatten beziehen. Und wir wollen erkennen, wo wir unbewusst auf Denkmuster zurückgreifen, die dem freien Denken im Weg stehen.
Aber wir arbeiten auch aus der Praxis heraus. Die Commons-Sommerschule ist selbst ein Ort des Commoning. Darin üben wir uns miteinander sowohl im Alltag während der Sommerschule als auch in der inhaltlichen Arbeit. Die Teilnehmer*innen bringen ihre Praxis mit und ein. Sie tauschen sich aus, reflektieren ihre Herangehensweisen, stellen sie in einen größeren Zusammenhang und werden so zum inhaltlich bestimmenden Faktor des Ganzen.
Damit verwoben ist die Arbeit auf der Körperebene. Wir experimentieren mit somatisch-künstlerischen Räumen, laden das Spiel und die Intuition ein, forschen mit Nichtwissen und spüren in das hinein, was unsere Welt erfahrbar macht. Wir erkunden den Zugang zur Intelligenz, die jedem Körper innewohnt. Und wir suchen nach Werkzeugen für das Commoning, auch jenseits der Konzepte.
Um was geht es dieses Jahr auf der Commons-Sommerschule?
Dieses Jahr lautet das Thema:”Commoning als Lebensweise: in einer komplexen Welt den bestehenden Strukturen entwachsen“. Die Fragen, die uns umtreiben lauten: Wie können wir den dringend nötigen Wandel in die Welt tragen und dabei der Komplexität der Gegenwart gerecht werden? Auf welche Widerstände stoßen wir im Innen und Außen und wie können wir mit ihnen umgehen? Wie können wir die Wunden der Gegenwart heilen und verhindern, dass wir uns wiederholt neue zufügen? Wie können wir Orte schaffen, an denen wir uns regenerieren und rückversichern? Und wie können wir wirken, mit Geld umgehen, unsere Beziehungen zu unserer Mitwelt gestalten? Und wie können wir mehr und mehr Strukturen und Qualitäten des Commoning in unser (aller) Leben bringen? Wie werden wir Gemeinschaffende (Commoner)?
Wir gehen davon aus, dass die inneren und äußeren Strukturen, mit denen wir konfrontiert sind, tendenziell auf einer individualistischen, unverbundenen, statischen und die vorhandene Vielfalt einebnenden Weltsicht fußen. Diese prägt nahezu unser gesamtes Leben und so liegen der „Geschichte der Trennung“, wie Charles Eisenstein es nennt, zahllose Probleme unserer Zeit zugrunde: sei es die Leistungsoptimierung von Milchkühen, die Geringschätzung von Care-Arbeit, die Diskriminierung bestimmter Formen der Liebe, das Abweisen von Menschen in Not an Landesgrenzen, die Trennungen in reich und arm, in schön und hässlich, in gut und schlecht, und so weiter.
Um den daraus resultierenden Strukturen und Selbstverständlichkeiten zu entwachsen, braucht es unterschiedliche Strategien. So gilt es, das aufzuhalten, was das friedliche Zusammenleben von Menschen und Mitwelt verhindert, die entstandenen Wunden zu heilen und Systeme aufzubauen, die ein Leben in Bezogenheit unterstützen und fördern. Es braucht einen ganz grundlegenden Wandel unserer Art des gesellschaftlichen Zusammenlebens und unseres Seinsverständnisses, also der Weise, wie wir die Beziehungen zu der Welt wahrnehmen, denken und erleben. Es braucht einen OntoWandel, wie Silke Helfrich es ausgedrückt hat. Dabei geht es darum, zu erkennen und zu erleben, dass wir ganz grundlegend immer mit allem verbunden sind, dass Vielfalt wirkliche Lebendigkeit erst möglich macht, und dass die Welt aus dynamischen Systemen und Prozessen besteht.
Das Wissen, Erleben und Fühlen von Commoning lässt uns Lösungen anleben, die die verschiedenen Ebenen von Veränderung, die es braucht, beinhalten. Auf den Commons-Sommerschulen wollen wir uns insbesondere mit der Frage beschäftigen, wie es gelingt, Gemeinschaffende:r (Commoner) zu werden. Es geht darum, das eigene Leben im Sinne des Commoning zu gestalten – im Hier und Jetzt – und dabei sowohl die strukturellen Widerstände, denen wir begegnen, zu ergründen als auch zu erkunden, welche neuen oder veränderten Strukturen uns stattdessen helfen würden. Wie kann ein solcher Wandel in uns, in unseren Alltagen und in gesellschaftlichen Strukturen gelingen, mit all unseren Versehrt- und Unperfektheiten? Die Mustersprache des Commoning dient uns dabei als Anker und Inspirationsquelle. Sie hilft uns, aus den gelingenden Praktiken des Miteinanders zu schöpfen und diese auf unterschiedliche Situationen zu übertragen.
Das ganz konkrete Programm jeder Sommerschule ergibt sich auch aus den Teilnehmenden und ihren Fragen und Interessen, die sie einbringen – deshalb kann ich es jetzt noch nicht genau sagen. Aber die Grundstruktur ist, dass wir an den ersten dreieinhalb Tagen gemeinsame Grundlagen legen, dann einen Tag Wandern gehen und integrieren. Im Anschluss folgen zwei Tage Open Space und gegen Ende kommt die gemeinsame Ernte.
Wie wählt ihr die Teilnehmer*innen aus?
Das ist eine spannende Frage. Grundsätzlich laden wir alle ein, die die Welt vielfältig und lebensfreundlich gestalten wollen, Aktive aus Projekten und Netzwerken. Praktiker- und Theoretiker*innen genauso wie Menschen, die mit dem Thema Commons bisher eher wenig zu tun haben. Thematische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Wichtig ist nur die Bereitschaft zum Mitgestalten und die Neugier, einen eigenen Ausdruck dafür zu finden, worum es gehen könnte. Bisher gab es immer eine Bewerbungsphase. Letztes Jahr haben wir jedoch beschlossen erstmals zwei Sommerschulen zu machen, damit alle Menschen, die kommen wollen auch kommen können. Das ist sich letztes Jahr ausgegangen. Dieses Jahr müssen wir schauen. Sollten sich mehr als 40 Menschen bewerben, werden wir versuchen aus der Anzahl an Interessierten eine vielfältige Gruppe zusammenzustellen.
Wie finanziert ihr die Sommerschulen?
Die gemeinsame Finanzierung der Sommerschulen ist selbst ein Prozess des Commoning. Wir forschen gemeinsam, wie beitragen ohne Zwänge auch mit Geld, gelingen kann. Deshalb erheben wir keine Teilnahmebeiträge vorab. Stattdessen wollen wir die gemeinsam erlebte Woche durch eine anonyme Beitragsrunde zum Abschluss der Sommerschule solidarisch finanzieren.
Warum klärt ihr die Beitragsfrage erst zum Abschluss und nicht am Anfang?
Dann wissen wir umeinander. Es wird möglich, dass sich Menschen, die mit sehr wenig Geld leben, genauso wohl mit ihrem Beitrag fühlen wie jene, die über mehr Geld verfügen oder deren Teilnahme über die eigene Arbeitsstelle finanziert wird. Wir vertrauen auf das Prinzip der Freiwilligkeit!
Wir legen Wert auf Transparenz hinsichtlich aller für die Sommerschule direkt anfallenden Kosten und teilen die wichtigen Informationen zur Gesamtfinanzierung im Prozess.
Welche Wünsche hast Du für die Zukunft der Commons Sommerschule?
Um die Sommerschulen herum beginnt ein Netz an nährenden Beziehungen zu wachsen, aus denen an unterschiedlichen Stellen dauerhaftere Strukturen des Commoning entstehen. Zum Beispiel gehen wir gerade Schritte hin zu einer Commonifizierung der Sommerschulen, eine Verteilung auf mehr Schultern. Es ist total berührend zu sehen, wie viele Menschen Sehnsucht haben in Verbindung zu bleiben und beizutragen. Ich wünsche mir, dass es uns gemeinsam gelingt, das was schon da ist, lebendig zu halten und gleichzeitig Commoning weiter in die Welt zu tragen.