Die Fuchsmühle

Die Fuchsmühle

Wie wollen wir heute und in Zukunft wohnen und leben? Die Gemeinschaft rund um die Fuchsmühle möchte genau dieser und weiteren Fragen auf den Grund gehe. Sie möchte neue Wege wagen – auch wenn noch nicht klar ist, wo diese genau hinführen. Und so einen Keimling für eine zukunftsfähige Gemeinschaftlichkeit pflanzen.

Nach einer Wanderung von Witzenhausen nach Waldkappel im Sommer 2020 war für 12 Menschen klar, dass sie gemeinsam in das alte, zum Verkauf stehende Mühlengebäude in Waldkappel ziehen möchten. Nele ist seit der Gründung Teil dieser Gemeinschaft und war bereit, ihren persönlichen Bezug zur Fuchsmühle zu teilen.

 
Was hat Dich dazu bewegt, das Projekt mit anzustoßen?

Für mich spielten ideelle Beweggründe und persönliche Bedürfnisse eine Rolle. Während meines Studiums haben mich Themen wie soziale Ungleichheit und die Klimakrise sehr beschäftigt. Ich kam immer wieder zu dem Punkt, dass die kapitalistische Organisationsform unserer Gesellschaft einen starken Einfluss auf diese Phänomene hat. Die genannten Themen also als Effekte der kapitalistischen Produktionsweise verstanden werden können.

Dann bin ich in Kontakt mit Commons und der Commons-Theorie gekommen und habe gemerkt, dass ganz viel, was mir in meinem Leben Kraft gegeben und mich inspiriert hat, mit Commoning zu tun hat. Ich kannte zu dem Zeitpunkt schon viele einzelne Commons-Projekte wie solidarische Landwirtschaften, Wohnprojekte, selbstverwaltete Kitas etc., und fand in diesem Zusammenhang den Gedanken spannend, wie Commons weiter ausgeweitet werden können. Das Interesse an dieser Frage hat dann zusammen mit der Erkenntnis, dass es auf dem Land sehr viele Ressourcen (Räumlichkeiten, Land, etc.) gibt, die ungenutzt sind, zu der Idee und der Faszination für das Projekt geführt: in einer sogenannten „strukturschwachen Region“ Strukturen mit aufzubauen, die es begünstigen, möglichst viele Lebensbereiche commonsgemäß zu organisieren.

Persönlich habe ich schon vor der Zeit der Fuchsmühle sehr positive Erfahrungen mit dem Gemeinschaftsleben und der kollektiven Selbstorganisation gemacht. Das Gefühl, eine Gemeinschaft im Rücken zu haben und Teil dieser zu sein, bringt mich in meine Kraft und gibt mir viel Sicherheit. Zwischendurch bin ich in Berlin in einem eher klassischeren Lebensverhältnis gelandet und habe dann dort wieder verstärkt Sehnsüchte gespürt nach dem Gemeinschaftsleben, nach dem Miteinander-Teilen und dem Voneinander-Lernen, die mich letztendlich auch in die Fuchsmühle geführt haben.

Junge Menschen, Genossinnen der Fuchsmühle, vor Fachwerkhäusern
Quelle: Fuchsmühle
 
Welche Rolle übernimmt die Fuchsmühle in Bezug auf die sozial-ökologische Transformation?

Die Fuchsmühle ist für mich ein Teil eines Mosaiks verschiedener Ansätze, die gesellschaftliche Transformation mitzugestalten. Bei mir und ein paar anderen Menschen, die das Projekt mitgegründet haben, entstand durch das Wirken in der Klimagerechtigkeitsbewegung ein Gefühl der Resignation. Ein Gefühl, dass so wenig von dem, was wir fordern, umgesetzt wird. Das war für mich dann auch ein Grund, das Projekt zu starten, um den Wandel voranzubringen, den ich mir selbst wünsche. Gleichzeitig finde ich es natürlich immer noch sehr wichtig, auf politischer Ebene zu wirken und Druck aufzubauen, um strukturelle Veränderungen zu bewirken.
Das Projekt gibt es ja erst seit einem Jahr und es ist damit immer noch sehr jung. Was das Projekt bisher schon zeigt: dass es möglich ist, sich in gemeinschaftsgetragenem Wohnraum zu organisieren, in gemeinsamen Ökonomien zu leben und verschiedene Commons aufzubauen. Das trifft bei vielen Leuten, die uns Feedback geben, auf Resonanz.
Darüber hinaus sehe ich die Fuchsmühle für Menschen vor Ort, aber auch von außerhalb als Erfahrungsraum, als Raum, in dem Commoning und Selbstorganisation erprobt werden können. Diese Erfahrungen von basisdemokratischer Entscheidungsfindung, sich mit den eigenen Bedürfnissen ernst genommen zu fühlen usw., stehen aus meiner Perspektive grundlegend für einen Demokratisierungsprozess und die sozial-ökologische Transformation.

 
Könnt ihr in die Region, rund um Waldkappel, hineinwirken?

Im letzten Jahr sind schon einige Projekte entstanden, die sich an der Idee der Commons orientieren. Hier kommen ein paar Beispiele:

Allmende Waldgarten: Durch den gegründeten gemeinnützigen Verein konnte mit Fördergeldern ein Stück Land in der Nähe gekauft werden. Eine Lerngruppe mit Menschen aus Witzenhausen und Hoheneiche erprobt dort das Konzept der Agroforstwirtschaft. Die Früchte, die in den nächsten Jahren dort entstehen, sollen tauschlogikfrei für verschiedene Menschen zur Verfügung stehen. Ziel ist es, einen Ort des Miteinanders und der Biodiversität zu schaffen.

Der Hegewald für Waldkappel ist ein regeneratives Forstprojekt. Hier geht es darum, zusammen mit dem Förster und anderen Bürger*innen dem Waldsterben rund um Waldkappel entgegenzuwirken.

Die Leerstands-AG: Menschen aus der Lokalpolitik und der Region gehen der Frage nach, wie sich leerstehende Gebäude (auch unkonventionell) wiederbeleben lassen.

Offener Nachmittag für Jugendliche: Junge Menschen standen irgendwann auf dem Hof der Fuchsmühle, auf der Suche nach einem gemeinsamen Treffpunkt. Hier wird sich ausgetauscht, Tischtennis gespielt, gemeinsam am Lagerfeuer gesessen u.v.m.

Offenes Atelier zum Töpfern, Malen und Nähen.

Wohnhäuserübergreifende Bietrunden für die solidarische Deckung von Wohnkosten.

Eine Solidarische Landwirtschaft in Gründung in Kooperation mit dem Kulchhof, einem Biohof in Waldkappel, die Anfang 2022 startet.

Obstbäume auf einer Wiese, vor bewaldeten Hügeln.
Quelle: Fuchsmühle
 
Welche „Rezepte“ für die Gründung eines Projektes wie der Fuchsmühle würdest du gern mitgeben?

Ganz am Anfang braucht es glaube ich Menschen, die an einem ähnlichen Punkt in ihrem Leben sind. Die etwas Neues wagen möchten, was potenziell scheitern kann, und die bereit sind, super viel hinter sich zu lassen. Uns hat u.a. die Begeisterung für Commons verbunden und die Basis für ein gemeinsames Commitment ermöglicht. Eine gemeinsame Prinzipienbasis finde ich in diesem Zusammenhang auch wichtig.
Beim Aufbau einer Rechtsform, in unserem Fall einer Genossenschaft, hatten wir viel soziales Kapital im Rücken. Also Beziehungen und Kontakte zu Menschen, die schon verschiedene Ökodörfer und Hausprojekte gegründet, sich intensiv mit der Finanzierung und dem Crowdfunding auseinandergesetzt und uns durch ihr Wissen sehr unterstützt haben. Dadurch konnten wir in kurzer Zeit tief in diese Thematik eintauchen. Ich glaube diese Unterstützung von „Außen“ und das Teilen von Wissen braucht es.
Menschen haben uns durch ihre Erfahrung und ihre sozialen Skills, die sie auch aus Gemeinschaftsprojekten und den sozialen Bewegungen mitgebracht haben, bei Gemeinschaftsbildungsprozessen und Konflikttransformationen unterstützt. Ohne diese Ressourcen wäre das Projekt so wahrscheinlich nicht zu Stande gekommen.

 
Was waren und/ODER sind die größten Stolperfallen?

Eine große Herausforderung, die die Einbettung in den regionalen Kontext mit sich bringt, ist das Spannungsfeld von Anschlussfähigkeit und Radikalität. Wir wollen uns einerseits an den Bedürfnissen der Menschen in der Region orientieren und mit ihnen in Kontakt und im Dialog bleiben. Gleichzeitig wollen wir nicht unsere radikalen Positionen aufgeben, nur um anschlussfähig zu sein.
Intern gab es vor allem am Anfang viel Reibung durch die ideellen Unterschiede der Menschen in Bezug auf Transformationsansätze. Zu Beginn fand der Aushandlungsprozess auch in einem Haus statt, in dem wir funktional gelebt haben. Mit der Zeit haben sich in einzelnen Häusern rund um die Fuchsmühle, die nach und nach dazu kamen, unterschiedliche Schwerpunkte gebildet. Jetzt gibt es Wohngruppen, in denen sich Menschen viel mit innerer Arbeit, Psychologie und Körpertherapie beschäftigen. Und andere, in denen der Fokus eher auf politischen Aktionen liegt. Mittlerweile können wir dieses Spannungsfeld gut halten. Von Anfang an verbindet uns die Ansicht, dass die unterschiedlichen Transformationsansätze sich idealerweise verbinden.
Für mich persönlich nehme ich mit, dass es Geduld braucht. Vor allem beim Aufbau von Commons braucht es viel Zeit und Vertrauen, dass jede Person ihr Bestes gibt.

 

Wie sieht deine Vision für die Fuchsmühle in 10-20 Jahren aus?

Ich sehe ein Miteinander von Menschen, die ihre Lebensgrundlagen selbst gestalten. Ich stelle mir viele verschiedene Projekte vor, in denen tauschlogikfrei und kollektiv Bedürfnisse befriedigt werden können. Für die nähere Zukunft sehe ich den Bedarf für einen offenen Begegnungsraum, der als Treffpunkt für diverse Menschen dienen kann, die zusammenkommen und/oder sich organisieren möchten. Ich wünsche mir, dass langfristig verschiedenere soziale Milieus Zugang zu den hier geschaffenen Ressourcen erhalten. Und dass auch Projekte der gemeinsamen Organisation entstehen, die über eine szenespezifische Blase hinausreichen.

Eine Gruppe von jungen Menschen der Fuchsmühle, manche machen Handstand, alle Lachen.
Quelle: Fuchsmühle